Wir alle leben in einer eigenen Blase, heißt es. Aufgrund der Macht von sozialen Medien und Algorithmen sind wir in einer Welt gefangen, in der wir immer nur das Gleiche hören wollen. Aber stimmt das wirklich?
Matti Klein und sein Soul Trio beweisen mit ihrem dritten Album Bouncin’ In Bubbleverse: Es kann unglaublich viel Spaß machen, mit den verschiedensten Blasen aus den Bereichen des Jazz, des Funk, des HipHop oder des Space-Rock zu jonglieren, ihre Grenzen auszuloten und sie lustvoll zum schillernden Zerplatzen zu bringen. Um so den Blick auf Neues freizumachen.
Das Unorthodoxe ist ohnehin eine Spezialität des Dreiergespanns. Das Trio verfügt über einen einzigartigen Sound, der aus den warmen Klängen von Kleins Wurlitzer-E-Piano, dem tiefen Fundament eines seltenen 1973er Rhodes Bass und dem effektreichen, expressiven Spiel von Saxofonist und Bassklarinettist Lars Dieterich entsteht. Verbunden mit den rhythmisch höchst flexiblen Drums von André Seidel wird daraus „eine neue, heiß brodelnde Variante des beliebten Orgeltrio-Formats“, wie das britische Magazin Jazzwise einmal feststellte.
„Als Musiker bist du ständig unterwegs in allen möglichen Bubbles“, erklärt Bandleader Klein den Albumtitel, „mal bist du auf einem großen Festival, dann wieder in einem kleinen Jazzclub. Und wir bouncen da ständig herum und tauchen immer wieder in ein neues Universum ein.“ Der Mann weiß, wovon er spricht. Schließlich ist der 1984 in Berlin geborene Vintage-Keyboard-Meister so etwas wie Deutschlands hardest travelling man im Namen des Groove.
Als Teil der erfolgreichen Jazzfunk-Formation Mo' Blow und als musikalischer Direktor der brasilianischen Soulpop-Legende Ed Motta stand Klein schon auf den Bühnen der wichtigsten Jazzclubs in New York, Tokio, London und Paris. Und auch sein 2017 gemeinsam mit Dieterich und Mo'-Blow-Kollege Seidel gegründetes Soul Trio kann inzwischen auf über 300 Konzerte in allen Teilen der Welt zurückblicken – mit Auftritten und Touren u.a. in Südafrika, Malaysia, Bahrain, Finnland oder Großbritannien.
Diese langjährige Eingespieltheit schlägt sich in Bouncin’ In Bubbleverse auf besondere Weise nieder. Sämtliche Stücke aus der Feder des Bandleaders verfügen nämlich über eine Art Zugabe, die Elemente des gerade beendeten Songs aufnimmt, sie aber viel freier und teilweise gänzlich anders interpretiert. „Echos“ hat Klein diese Reflexionen getauft, die dem Filterblasen-Thema des Albums eine weitere Bedeutungsnuance verleihen: Wenn man sich locker macht und seinen Standpunkt verändert, sieht man die gleiche Sache plötzlich mit ganz anderen Augen.
„Das hat sich in unseren Konzerten entwickelt“, erzählt Klein, „der Song ist eigentlich vorbei, aber einer macht einfach weiter und zieht die anderen in einen Jam hinein. Mir gefällt diese Spontaneität. Weil man durchbricht, was man sonst macht und einen anderen Blick drauf wirft. Das wollte ich auch fürs Album.“ Heißt: Die gemeinsam im Geiste eines kollektiven Solos entwickelten Echos erzählen auf Bouncin’ In Bubbleverse die im Referenz-Stück ausformulierten Geschichten weiter oder überführen sie in andere Dimensionen.
So erhält etwa die zart verträumte Sommerromanzen-Ballade „A Summer Fairytale“ im Nachgang ein feuriges Latin-Happy-End. Das zwischen HipHop-Ästhetik, Yacht-Pop-Sonnenschein und metrisch auf den Kopf gestellten Retro-Souljazz vermittelnde „New Frontiers“ wird in eine psychedelisch-polyrhythmische Hymne überführt. Das rockig vorantreibende „Left Lane Larry“, inspiriert vom Linksverkehr auf der britischen Insel, kehrt als seelenvoller Blues wieder. „Capetown After Dark“ wiederum, das mit seiner bittersüßen Energie ebenfalls prägende Tournee-Erlebnisse des Trios verarbeitet, bekommt in seinem Echo-Nachhall eine tiefere, spirituelle Note.
Ohnehin zeigt das erste in Kleins eigenem Studio in Prenzlauer Berg entstandene Album, wie sehr der Dreierverbund in den vergangenen Jahren zusammengewachsen und gereift ist. Nummern wie das beinahe chansonhafte „End of Sight“, das Klein auf der Azoreninsel Graciosa verfasste, künden von einer ungemeinen inneren Ruhe und dem Wissen, dass man sich auf den anderen verlassen kann.
Das Trio hat auch ein weiteres seiner unverkennbaren Trademarks perfektioniert – den Einsatz von wilden ungeraden Taktarten. Keine der Kompositionen auf Bouncin’ In Bubbleverse steht im herkömmlichen 4/4-Takt. Man nimmt es der Band keineswegs krumm. Ganz im Gegenteil: Man tanzt dazu. „Odd Times to Party“ eben, wie es im Auftaktstück des Albums so hübsch doppeldeutig heißt. „Das ist es, was das Album aussagt“, erklärt Matti Klein, „wir mögen in herausfordernden und seltsamen Zeiten leben – aber wir machen das Beste draus!“.
Veranstalter: Kulturhaus Osterfeld